Langflossen-Grindwal
Globicephala melas
Delphinidae, Cetartiodactyla
Long-finned pilot whale
Text: Julia Bauder
Merkmale
Langflossen-Grindwale sind hochsoziale Tiere, die in Schulen von 20 bis 90 Individuen schwimmen. Der Name Pilotwal hat seinen Ursprung in dem Glauben, dass jede Schule von einem Leittier gesteuert oder gelotst wird. Andere Trivialnamen für diesen Vertreter der Delphine lauten „pothead“, abgeleitet von der durch die Melone stark gerundeten Kopfform, die die ersten Walfänger an Kochtöpfe erinnerte, oder „blackfish“. Der wissenschaftliche Name geht einerseits ebenfalls auf die Kopfform zurück (lateinisch: globus – Kugel, Ball; griechisch: kephale – Kopf) sowie auf die Färbung dieser Delphine (griechisch: melas – schwarz). Der Langflossen-Grindwal ist nach dem Killerwal (Orcinus orca) der zweitgrößte Vertreter der Delphine. Erwachsene Tiere erreichen eine durchschnittliche Körperlänge von 6 m, wobei männliche Tiere größer als weibliche sind.
Der robuste Körper ist mit einem kräftigen Schwanzansatz ausgestattet. Die Melone – ein Organ aus Fett- und Bindegewebe im Kopf der Zahnwale (Odontoceti) zur Lauterzeugung und Echoortung – ist stark vergrößert und kugelig, das Rostrum nicht zugespitzt oder verlängert wie beim ebenfalls ausgestellten Skelett des Nördlichen Zwergwals. Die breit ansetzende, sichelförmige Rückenflosse ist nach vorne verlagert. Die Anzahl der Zähne ist im Vergleich zu anderen Delphinen reduziert und vermutlich im Zusammenhang mit dem Freßverhalten der Langflossen-Grindwale zu verstehen, die sich von Oktopus ernähren.
Der Körper der Langflossen-Grindwale ist schwarz oder dunkelgrau gefärbt, hinter der Rückenflosse befindet sich ein blasser, grauer Sattelfleck auf dem Rücken sowie ein grauer Postorbitalstreif auf beiden Seiten des Kopfes. Auf der Körperunterseite erstreckt sich eine grau gefärbte Mittellinie in einen ankerförmigen Brustfleck nach anterior und in einen erweiterten Genitalfleck nach posterior. Kälber sind heller gefärbt als adulte Tiere.
Langflossen-Grindwale sind sexualdimorph, das heißt, die Geschlechter unterscheiden sich in einigen morphologischen Merkmalsausprägungen: Männchen sind größer als Weibchen, ihre Melone tritt stärker hervor und die Rückenflosse ist größer. Möglicherweise dienen diese Merkmalsvergrößerungen als Signal an andere Männchen bzw. Weibchen, erhöhen die Wendigkeit der Männchen um zu einer erfolgreichen Paarung zu gelangen oder um Weibchen zusammenzutreiben. Die größeren Männchen könnten ihre Schulen vor Hai- oder Killerwalangriffen effektiver verteidigen.
Die Unterscheidung des Langflossen-Grindwals von seiner Schwesterart, dem Kurzflossen-Grindwal (Globicephala macrorhnychus) ist auf offener See nicht einfach. Morphologische Unterschiede beschränken sich auf geringe Variationen der Schädelform, Zahnanzahl und die Länge der Brustflossen. Die Brustflossen, auch Flipper genannt, sind beim Langflossen-Grindwal, wie der Name schon sagt, etwas länger als beim Kurzflossen-Grindwal und besitzen einen merklichen Knick (Minton et al., 2018).
Verbreitung und Gefährdung
Langflossen-Grindwale besiedeln sowohl die kalten, temperaten Gewässer des Nordatlantiks als auch des Südpolarmeers. Da die Walpopulationen der nördlichen und südlichen Hemisphäre voneinander isoliert sind und auch morphologisch einige Unterschiede zeigen, ordnet man sie zwei verschiedenen Unterarten zu: G. melas melas kommt in den kalten Gewässern der nördlichen Hemisphäre (Grönland, Island, Barentsee südlich des Wendekreises des Krebses, westliches Mittelmeer) vor, während G. melas edwardii zirkumglobal im Südpolarmeer zu finden ist.
Da große Gebiete des Verbreitungsgebietes in der südlichen Hemisphäre bis heute nicht untersucht werden konnten, fehlen derzeit Informationen über die weltweite Abundanz und die zeitliche Entwicklung der Populationsgröße dieser Delphine. Schätzungen, die Teile des südlichen Verbreitungsgebietes nicht mit einbeziehen, belaufen sich auf eine Individuenanzahl von 1 Million. Langflossen-Grindwale werden seit langer Zeit und bis heute auf den Färöer Inseln mit einer jährlichen Entnahme von 850 Tieren und auch in Grönland in großer Zahl bejagt, scheinbar jedoch ohne einen merklichen Rückgang der Populationsgröße zu bewirken. Andere mögliche Gefährdungsursachen, bisher jedoch kaum untersucht, sind die kommerzielle Fischerei, anthropogener Unterwasserlärm und die fortschreitende Verschmutzung des Meerwassers. Grindwale sind eine der Walarten, die oft in großer Zahl und aus bis heute unbekannten Gründen stranden und verenden (Hayes et al., 2017). Der Langflossen-Grindwal ist als nicht gefährdet eingestuft (Minton et al., 2018).
Ökologie
Die saisonalen Wanderbewegungen des Langflossen-Grindwals stehen im Zusammenhang mit der Verbreitung von seiner bevorzugten Beute, den Tintenfischen. Sie fressen aber auch verschiedene Fische. Grindwale halten sich in Aggregationen von verschiedenen Walarten auf und werden oft in der Nähe von Großen Tümmlern (Tursiops truncatus) beobachtet, wurden aber auch schon in der Gesellschaft von Gewöhnlichen Delphinen (Delphinus delphis), Weißseitendelphinen (Lagenorhynchus acutus), Weißstreifendelphinen (Lagenorhynchus obliquidens), Blau-Weißen Delphinen (Stenella coeruleoalba), Borneodelphinen (Lagenodelphis hosei), Breitschnabeldelphinen (Peponocephala electra), Killerwalen (Orcinus orca), Finnwalen (Balaenoptera physalus), Pottwalen (Physeter macrocephalus) und Grauwalen (Eschrichtius robustus) gesehen. Es gibt Berichte über Grindwale, die sich aggressiv gegenüber Buckelwalen (Megaptera novaeangelicae), Pottwalen und einigen Delphinarten verhalten.
Der Morbillivirus brach wie bei vielen anderen Meeresbewohnern auch unter den Grindwalen aus, allerdings wurde bis heute kein großer Krankheitsausbruch beobachtet. Die Tiere scheinen immun zu sein, da in einer Untersuchung in den 80er und 90er Jahren ein hoher Prozentsatz an Antikörpern gegen das Morbillivirus im Blut nachgewiesen wurde. Dennoch werden Grindwale als potentielle Vektoren des Virus eingestuft, da sie weite Wanderungen unternehmen und die Tendenz zeigen, gemeinsam mit anderen Meeressäugern zu schwimmen (Minton et al., 2018).
Verhalten und Biologie
Grindwale sind hochsoziale Tiere, die in individuenreichen Gruppen vorkommen. Die Sozialstruktur ihrer Schulen ist der von Killerwalen ähnlich. Sie sind matrilinear: Ein Weibchen, die Matriarchin, ihre Söhne und Töchter sowie die Nachkommen ihrer Töchter bleiben ein Leben lang in einer stabilen Gruppe zusammen (Amos et al., 1993). Männchen sind polygyn – sie verpaaren sich mit mehreren Weibchen - und suchen sich während zeitlich begrenzter Aggregationen von Grindwalen einen Fortpflanzungspartner außerhalb ihrer Matrilinie, um Inzucht zu vermeiden. Eine solche Sozialstruktur, in der adulte Männchen ein Leben lang mit ihrer weiblichen Verwandtschaft zusammenbleiben und sich anderswo fortpflanzen, ist sehr selten unter Säugetieren. Auch die Massenstrandungen könnten in den starken sozialen Bindungen zwischen Grindwalen begründet sein: gesunde Mitglieder einer Schule könnten einem kranken oder desorientierten Tier folgen und ebenfalls stranden.
Grindwale unternehmen hauptsächlich flache Tauchgänge zwischen 1 – 16 m unter Tags und tiefere Tauchgänge von mehr als 100 m in der Nacht um nach Beute zu suchen. Sie sind zur präzisen Echolotung fähig und verständigen sich in der Gruppe untereinander mittels Lautäußerungen.
Grindwale haben eine lange Lebensdauer, wobei Weibchen mit über 60 Jahren älter werden können als Männchen, die nur 35 – 45 Jahre alt werden. Sie werden spät geschlechtsreif: Weibchen mit 8 Jahren und Männchen erst mit 12 Jahren. Männchen erreichen ihre soziale Reife, ab der sie sich erfolgreich verpaaren können, erst einige Jahre nach ihrer Geschlechtsreife. Die Paarung findet in der nördlichen Hemisphäre im Frühling oder Frühsommer statt. Die Trächtigkeit von Langflossen-Grindwalen dauert 12 Monate. Geburten finden im Sommer oder Herbst statt, die Kälber werden für 3 Jahre oder länger gesäugt. Eine derartig verlängerte Laktationszeit dient wahrscheinlich eher einem sozialen Zweck und nicht primär der Ernährung der Kälber (Minton et al., 2018).
References
Amos, B., Schlotterer, C., and Tauz, D. (1993). Social structure of pilot whales revealed by analytical DNA profiling. Science 260, 670–672.
Hayes, S.A., Josephson, E., Maze-Foley, K, and Rosel, P.E. (eds). (2017) US Atlantic and Gulf of Mexico Marine Mammal Stock Assessments – 2016. National Oceanic and Atmospheric Administration Technical Memorandum NMFS-NE-241.
Klima, M. Anpassungen an die aquatische Lebensweise. In: Robineau, D. & Niethammer, J. & Benke, H. (1994) Handbuch der Säugetiere Europas. Band 6/1, p. 1 – 56.
Olson, P. A. Pilot Whales, Globicephala melas and G. macrorhynchus. In: Wursig, B., Perrin, W. & Thewissen, J. G. M. (2009) Encyclopedia of Marine Mammals. Second Edition, p. 847 - 852.
Minton, G., Reeves, R. & Braulik, G. (2018) Globicephala melas. The IUCN Red List of Threatened Species 2018: e.T9250A50356171. dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2018-2.RLTS.T9250A50356171.en. Accessed on 02 March 2022.